Interview: Data Stewardship beim Monitoring von Emissionsdaten zu ETH-Flugreisen
Das Gespräch zwischen Dr. Giuliana Turi (ETH Sustainability, Stab Präsident) und Dr. Julian Dederke (ETH-Bibliothek) ist das zweite in einer Reihe von Interviews, welche die Arbeit von aktiven Data Stewards (m/w/d) im Data Stewardship Network näher beleuchten.
Giuliana Turi arbeitet seit Juni 2022 bei ETH Sustainability und ist Projektleiterin für das ETH Flugreisen-Projekt. Giuliana hat einen Hintergrund in Klima- und Umweltwissenschaften mit Schwerpunkt auf den Auswirkungen des Klimawandels auf die Kryosphäre und den Ozean. In ihrer Funktion bei ETH Sustainability entwickelte sie ein Konzept für Data Stewardship für die Emissionsdaten aus ETH-Flugreisen, welches das Monitoring, die Aufbereitung und die Bereitstellung der Daten umfasst.
Das Interview führte Dr. Julian Dederke (ETH-Bibliothek), der ein swissuniversities-Projekt zur Etablierung von Data-Stewardship an der ETH Zürich koordiniert. Die Förderung von Data-Stewardship ist ein Ziel sowohl der externe Seite Nationalen Strategie zu offenen Forschungsdaten als auch der externe Seite Open-Research-Data-Strategie des ETH-Bereichs.
Giuliana, Du arbeitest derzeit bei ETH Sustainability und bist Projektleiterin für das Flugreisen-Projekt. Was sind die Ziele dieses Projekts und was sind Deine Aufgaben?
Das ETH Flugreisen-Projekt wurde 2017 ins Leben gerufen und befasst sich mit der Reduktion von Treibhausgas-Emissionen aus dienstlichen Flugreisen der ETH Zürich. Da diese Daten bereits seit 2006 gesammelt werden, entstand eine der umfangreichsten Datenreihen zu universitären Flugreisen im In- und Ausland. Ziel des Projekts ist es, einen realen Absenkpfad für die Flugreisen-Emissionen der ETH Zürich zu verwirklichen, der mit der Exzellenz in der Wissenschaft und den bestmöglichen Karrierechancen der Forschenden verträglich ist. Gleichzeitig müssen die Treibhausgas-Emissionen der gesamten Hochschule so weit gesenkt werden, dass sie ihr Netto-Null-Ziel erreichen kann.
Da die Emissionen aus Flugreisen einen relevanten Teil (ca. 12 %) der ETH-Gesamtemissionen ausmachen und – im Vergleich zu anderen Emissionskategorien – relativ einfach erfasst werden können, ist es besonders wichtig, ein gut funktionierendes System für das Monitoring, die Aufbereitung und die Bereitstellung der Daten zu haben. Das ist nicht nur für mich als Projektleiterin essenziell, sondern auch für viele andere Akteur:innen an der ETH Zürich wichtig, die Zugang zu den Flugreisen-Emissionen brauchen. Dazu gehören zum Beispiel unsere Kolleg:innen im Mobilitätsteam, bei Institutional Research oder die Departements- und Institutsleiter:innen und -koordinator:innen.
Meine Rolle als Projektleiterin sehe ich zum einen als Koordinatorin der diversen Bemühungen zur Reduktion von Flugreisen der ETH Zürich und als Vermittlerin zwischen den verschiedenen Akteur:innen in den Departementen, Stäben und der Schulleitung. Zum anderen bin ich meistens die erste Anlaufstelle für Fragen rund um die Erfassung, Berechnung und Auswertung der Flugreisen-Emissionen. Dabei kann man leicht zu einem Engpass im Informationsfluss werden. Deshalb setzt sich ETH Sustainability auch für mehr Datentransparenz und einen offenen Datenaustausch der Flugreisen-Emissionen ein.
Ein wesentlicher Teil des Projekts ist also das Monitoring von Emissionsdaten von ETH-Flugreisen. Was genau passiert mit diesen Daten im Projekt und welchen Prinzipien folgt Ihr dabei?
Für das Monitoring der Flugreisen-Emissionen werden die Flüge aller Organisationseinheiten im ETH-Finanzportal ETHIS über die Spesenrückerstattung erfasst. Dabei müssen bei der Eingabe der Spesen unter anderem das Flugdatum, die Flugnummer, die Funktion der:s Reisenden, die Reiseklasse und der Reisegrund erfasst werden.
Diese Informationen zu den Flugreisen werden laufend an die Partnerfirma atmosfair geschickt, welche die Emissionen der Flüge nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Standards berechnet. Diese von externe Seite atmosfair berechneten Emissionen bilden dann die Basis für das Monitoring des Flugverhaltens an der ETH Zürich, die wir in unsere Gesamtanalysen einfliessen lassen.
Letztes Jahr haben wir festgestellt, dass uns eine wichtige Voraussetzung für das Monitoring von Emissionsdaten fehlt – nämlich diejenigen ETH-Einheiten formal zusammenzubringen, die sich sowieso schon mit den Flugreisen-Daten befasst hatten. Dies sind einerseits das Institutional Research (IR)-Team, das unter anderem für die Aufbereitung und Bereitstellung von operativen und strategischen Daten verantwortlich ist und die Datengrundlage diverser Berichte (z. B. des Geschäftsberichts) koordiniert und publiziert. Zum anderen ist da das Competence Center SAP (CCSAP), das massgeblich beim Aufbau des Flugreisen-Monitoringsystems in ETHIS beteiligt war. Beide sind in der ETH-Abteilung Controlling angesiedelt.
Um diese wichtigen und komplementären Funktionen abzubilden, haben wir ein Konzept für Data Stewardship für die Flugreisen-Emissionen entwickelt, welches drei verschiedene Rollen umfasst: Bei ETH Sustainability liegt die Datenhoheit, die Kolleg:innen bei IR bieten Daten-Support an (z. B. beim Aufschalten des Dashboards) und das CCSAP kümmert sich um die Daten-Workflows innerhalb von ETHIS. Damals wussten wir noch nichts vom Data Stewardship Network. Unser Konzept ist bereits unabhängig davon entstanden und speziell auf die Anforderungen im Flugreisen-Projekt zugeschnitten. Es war spannend, im ersten Interview dieser Serie zu sehen, dass Data Stewardship durchaus verschiedene Formen hat.
Data Stewardship ist also ein wesentlicher Bestandteil Eures Umgangs mit den Flugreisen-Daten?
Ja. Uns war besonders wichtig, dass die Rollen und Zuständigkeiten gut geklärt und die Rahmenbedingungen transparent formuliert sind. Somit ist klar, welche Einheit die Anlaufstelle für welche Problemstellungen ist, wenn es um Flugreisen der ETH Zürich geht.
Wir arbeiten sehr eng mit dem CCSAP zusammen, wenn es um Problemlösungen im Flugreisen-Monitoringsystem in ETHIS geht. Zudem haben wir mit der Unterstützung von Institutional Research ein interaktives Daten-Dashboard für die Flugreisen entwickelt, das im Sinne von Datentransparenz auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Es ermöglicht allen einen Einblick in die Ergebnisse unserer Analysen, worauf wir besonders stolz sind.
Das ETH-Flugreisen-Projekt ist kein Forschungsprojekt im eigentlichen Sinne. Warum ist aus Deiner Sicht Data Stewardship dennoch so wichtig in diesem Kontext des Monitorings von Emissionsdaten?
Die ETH Zürich ist in vielerlei Hinsicht eine sehr heterogene Organisation – dies zeigt sich auch bei den Flugreisen-Emissionen. Nicht jedes Departement fliegt gleich viel und aus den gleichen Gründen. Um herauszufinden, wer wo am effektivsten Treibhausgas-Emissionen aus Flugreisen einsparen kann, brauchen wir eine solide Datenbasis, die durch ein Konzept wie Data Stewardship unterstützt werden kann – und das beinhaltet das Monitoring, die Bereitstellung und die Kommunikation der Flugreisen-Emissionen. Damit können wir informierte Entscheidungen zum Flugverhalten an der ETH Zürich treffen und den einzelnen Einheiten massgeschneiderte Ansätze zur Vermeidung und Reduktion ihrer Flüge anbieten.
Das ETH Flugreisen-Projekt wurde 2017 lanciert. Es animiert ETH-Angehörige in einem partizipativen, faktenbasierten und lösungsorientierten Prozess, ihre Treibhausgas-Emissionen aus dienstlichen Flugreisen zu reduzieren. Grundlage des Projekts ist die umfangreiche Datenreihe, welche das Flugverhalten seit 2006 aufzeigt. Die aktuelle Datenlage zu den Flugreisen-Emissionen an der ETH Zürich kann im externe Seite interaktiven Daten-Dashboard im Bereich Data Stewardship auf der Flugreisen-Website erkundet werden.
Giuliana, glaubst Du, dass Euer Konzept von Data Stewardship auf andere Projekte übertragbar wäre?
Auf jeden Fall. Wir arbeiten zurzeit an einem Datenmonitoring-Ansatz, welcher die Treibhausgas-Emissionen aus allen Dienstreisen (Flug, Bahn und Auto) sowie dem Pendlerverkehr umfassen würde. Es ist auch denkbar, dass sich das Konzept von Data Stewardship auf andere Projekte wie das Projekt Nachhaltige Gastronomie oder – sogar übergreifender – auf alle Emissionskategorien, die in der ETH Netto-Null-Strategie enthalten sind, übertragen lässt. Voraussetzung dafür ist eine solide Datenbasis sowie die Bereitschaft aller involvierten Parteien, auf transparente Weise mit den Daten umzugehen und das Wissen, das darin steckt, zu teilen.
Data Stewardship und Open Data spielen sowohl in der nationalen Strategie zu offenen Forschungsdaten von swissuniversities als auch im Open-Research-Data-Programm des ETH-Bereichs eine wichtige Rolle. Inwieweit spielen Aspekte von Open Data in Eurem Projekt auch eine Rolle?
Das oben erwähnte Daten-Dashboard ermöglicht es nicht nur der ETH-Community, die Datenreihen zu den Flugreisen-Emissionen der ETH Zürich einzusehen, sondern auch der allgemeinen Bevölkerung und anderen Universitäten in der Schweiz und im Ausland. Es hat seit der Veröffentlichung bereits zahlreiche externe Anfragen und Reaktionen darauf gegeben. Wir hoffen, dass die ETH Zürich mittels Datentransparenz und -austausch einen wichtigen Beitrag zu einer besser informierten Gesellschaft leisten kann, wenn es um die Auswirkung von Dienstreisen und Mobilität im Allgemeinen auf den Ausstoss von Treibhausgasen geht. Die Flugreisen-Emissionen sind keine Forschungsdaten im engen Sinne. Aber genau wie bei Forschungsdaten ist Data Stewardship natürlich auch im Bereich Hochschulmonitoring sehr relevant – egal, ob die Daten offen sind oder nicht. Da es sich hier um mitunter sensible organisationale Daten handelt, können sie nicht vollständig öffentlich verfügbar gemacht werden. Die Ergebnisse der Analysen transparent bereitzustellen, ist aber ganz klar das Ziel.
ORD-Projekt von swissuniversities zum Thema Data Stewardship
Im Rahmen der externe Seite nationalen ORD-Strategie ermutigt swissuniversities alle Forschungsinstitutionen in der Schweiz, Data Stewardship zu fördern und entsprechende Anreize zu schaffen. An der ETH Zürich wird dieses Ziel unter anderem mit einem von 2023 bis 2024 laufenden Projekt verfolgt, das von der ETH-Bibliothek koordiniert wird. Alle Informationen zum Thema Data Stewardship finden Sie auf unserer Website.