Eduard Stiefel (1909–1978)
Professor für höhere Mathematik an der ETH Zürich
Eduard Stiefel wurde am 21. April 1909 als Sohn eines Zeichnungslehrers und bekannten Kunstmalers in Zürich geboren. Er durchlief die Schulen seiner Heimatstadt und studierte von 1927 bis 1931 Mathematik und Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Er diplomierte 1931 mit Auszeichnung und setzte seine Studien in Hamburg und Göttingen fort.
Assistenzzeit und Professor
Nach einer Assistenzzeit in Zürich, unter anderem bei Professor Walter Saxer, promovierte er 1936 bei Heinz Hopf an der ETH Zürich. Ab Herbst 1936 erteilte er im Lehrauftrag den Unterricht in darstellender und vektorieller Geometrie. Der Bundesrat wählte ihn 1943 auf Antrag des Schweizerischen Schulrates zum ordentlichen Professor für höhere Mathematik.
Wissenschaftliches Schaffen
Eduard Stiefel begann seine wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Topologie als erfolgreicher Schüler von Heinz Hopf. Bei zwei Forschungsrichtungen seines Lehrers leistete er wesentliche Beiträge, was unter anderem in der späteren Einführung der Begriffe "Stiefelsche Klasse" und "Stiefelsches Diagramm" zum Ausdruck kommt. Angeregt durch die Ausarbeitung der Zürcher Gastvorlesungen des führenden Mathematikers Issai Schur, der bedeutende Arbeiten zur Gruppen- und Darstellungstheorie verfasste, wurde Eduard Stiefels Interesse 1936 auch auf dieses Gebiet gelenkt, das er in einem selbst konzipierten Rückblick auf seine wissenschaftliche Tätigkeit als zweite Periode bezeichnete.
ERMETH, die "elektronischen Rechenmaschine an der Eidgenössischen Technischen Hochschule"
Nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte Eduard Stiefel mit bewundernswertem Weitblick, dass die Konstruktion von Rechenautomaten für die Zukunft von grosser Bedeutung sein würde. Er erreichte in dieser dritten Periode die Gründung des Instituts für angewandte Mathematik, dessen Vorsteher er 1948 wurde. Und als entschlossen Handelnder glückte es ihm, die von Konrad Zuse gebaute elektromechanische programmgesteuerte Rechenmaschine Z4 zu holen und 1950 in Betrieb zu nehmen. Gleichzeitig trieb Eduard Stiefel die Eigenkonstruktion der ERMETH, der "elektronischen Rechenmaschine an der Eidgenössischen Technischen Hochschule" voran, die 1955 in Betrieb genommen werden konnte. Die Maschine wurde zwar von der amerikanischen Computerindustrie in den Punkten Rechengeschwindigkeit und Zuverlässigkeit bald überholt, verfügte aber über mathematische Möglichkeiten, die von den mehr kommerziell ausgerichteten amerikanischen Computeringenieuren nicht bedacht worden waren.
Veröffentlichung des Buches "Einführung in die Numerische Mathematik"
Eduard Stiefels schriftliches wissenschaftliches Werk auf dem Gebiet der Numerik umfasst zahlreiche Veröffentlichungen, darunter ein Lehrbuch, das sehr erfolgreich war. Die "Einführung in die Numerische Mathematik" erschien 1961 und wurde in nicht weniger als fünf Sprachen übersetzt. Die vierte Periode galt der Numerik der Approximationen, während im Zentrum seiner fünften Schaffensperiode die analytische Mechanik, speziell die Himmelsmechanik stand.
Ehrungen und Titel
Eduard Stiefels Verdienste fanden ihren Niederschlag in zahlreichen akademischen Ehrungen. Er war Ehrendoktor der Universitäten Leuven und Würzburg sowie der Technischen Universität in Braunschweig und Mitglied in verschiedenen Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften. Von 1958 bis 1966 gehörte er zudem als Vertreter des Landesrings der Unabhängigen der Stadtzürcherischen Legislative an. Eduard Stiefel plante, seine Professur bis zum 70. Geburtstag fortzuführen und anschliessend in den Ruhestand zu treten. Er starb jedoch unerwartet am 25. November 1978 wenige Monate vor seinem 70. Geburtstag.
Handschrift
Werke
Eine Liste der Veröffentlichungen von Eduard Stiefel ist zu finden in:
Eduard Stiefel (1909–1978), Zeitschrift für angewandte Mathematik und Physik: ZAMP Vol. 30, 1979, S. 137–140.
Bestand
Die ETH-Bibliothek besitzt von Eduard Stiefel umfangreiche Unterlagen im wissenschaftlichen Nachlass, der im Hochschularchiv der ETH Zürich aufbewahrt wird. Verschiedene andere Nachlässe enthalten zusätzliche Dokumente aus der Hand von Eduard Stiefel oder von Projekten, die bei ihm im Institut für angewandte Mathematik durchgeführt wurden. Darüber hinaus sind wesentliche Informationen zu seinem Wirken an der ETH Zürich in den Schulratsprotokollen und in den zugehörigen Akten zu finden. Weiter geben ein Dokumentationsdossier in der Biographica-Sammlung des Hochschularchivs der ETH Zürich und Aufnahmen aus dem Bildarchiv Auskunft über das Leben von Eduard Stiefel.