Heinrich Rohrer (1933–2013)
Physiker
Heinrich Rohrer wurde am 6. Juni 1933 in Buchs im St. Galler Rheintal geboren, wo er die obligatorischen Schulen absolvierte. Von 1948 bis 1951 besuchte er das Institut Juventus in Zürich. Nach der Matura studierte er ab Herbst 1951 bis Herbst 1955 Physik bei Georg Busch, Wolfgang Pauli und Paul Scherrer an der Abteilung für Mathematik und Physik der ETH Zürich.
Forschung rund um Supraleiter
Anschliessend forschte er als Doktorand unter der Leitung von Professor Peter Grassmann am Institut für kalorische Apparate und Kältetechnik zunächst über mechanische Eigenschaften von Supraleitern beim Übergang zur Supraleitung, dann ab Juni 1957 zu Volumenänderung in Supraleitern.
Schliesslich untersuchte er in einem Forschungsprojekt, das von Privatdozent Jörgen Lykke Olsen geleitet wurde, elektronische Eigenschaften von Supraleitern. Im Februar 1960 promovierte er mit seiner Dissertation «Druck- und Volumeneffekte in der Supraleitung» bei Professor Peter Grassmann (Referent) und bei Jörgen Lykke Olsen (Korreferent).
Magnetismus-Forschung
Zuerst weiterhin als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich tätig, ging Heinrich Rohrer im Herbst 1961 für einen zweijährigen Forschungsaufenthalt an die Rutgers Universität in New Brunswick, New Jersey (USA). 1963 wurde er vom damaligen Direktor Ambros Speiser ans IBM-Forschungslaboratorium in Rüschlikon geholt. Dort widmete er sich nach Arbeiten über Kondo-Systeme und Antiferromagnetismus kritischen Phänomenen, die bei magnetischen Phasenübergängen auftreten. Von 1974 bis 1975 verbrachte Heinrich Rohrer ein Forschungsjahr an der University of California, Santa Barbara, wo er seine Kenntnisse auf dem Gebiet der kernmagnetischen Resonanz (NMR) vertiefte.
Entwicklung des Rastertunnelmikroskop
Gegen Ende der 1970er Jahre wandte er sich der Erforschung von Halbleiteroberflächen zu. Er setzte sich 1978 bei der Leitung des Forschungslaboratorium dafür ein, dass der junge Physiker Gerd Binnig an das IBM-Forschungslaboratorium geholt wurde. Bis 1981 entwickelten Rohrer und Binnig zusammen sowie unter anderem mit Beteiligung von Christoph Gerber und Edmund Weibel das Rastertunnelmikroskop (STM, von engl. Scanning tunneling microscope), mit dem Oberflächen auf atomarer Ebene dargestellt werden können. Damit leiteten sie eine Revolution in der Oberflächenphysik ein, denn das Instrument verhalf dank der Variation des Tunnelstroms zwischen Messspitze und Oberflächenstruktur erstmals zu einem Abbild atomarer Beschaffenheit, womit völlig neue Felder für das Erforschen der Struktur der Materie eröffnet wurden.
Patentierung
1979 reichten Binnig und Rohrer einen ersten Patentantrag für ein "Gerät zur rasterartigen Oberflächenuntersuchung unter Ausnutzung des Vakuum-Tunneleffekts bei kryogenischen Temperaturen" ein. Sie nahmen aber noch eine Reihe von Verbesserungen vor und führten am 18. März 1981 am Forschungslaboratorium in Rüschlikon das erste erfolgreiche Experiment zum Nachweis eines abstandsabhängigen Tunnelstromes durch.
Preisauszeichnungen
1984 konnten sie für ihre Entwicklung den King Faisal Preis und den Hewlett-Packard Europhysics Preis entgegennehmen. Im Jahr 1986 erhielten Heinrich Rohrer und Gerd Binnig für die Erfindung des Rastertunnelmikroskops den externe Seite Nobelpreis für Physik. Die andere Hälfte gewann der Entdecker des Elektronenmikroskops Ernst Ruska. Heinrich Rohrer wurde im gleichen Jahr zum IBM Fellow ernannt – die höchste technische Auszeichnung des Unternehmens.
Es folgten zahlreiche weitere Auszeichnungen und Ehrungen wie zum Beispiel:
- Cresson Medal of the Franklin Institute, Philadelphia, USA (1987)
- Ehrendoktor der Rutgers University, New York, USA (1987)
- Foreign Associate of the US Academy of Sciences (ab 1988)
- Ehrendoktor der Université II de Marseilles, Frankreich (1988)
- National Inventors Hall of Fame, Akron, USA (1994)
- Tsukuba University, Tsukuba, Japan (1994)
- Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt am Main, Deutschland (1995)
- Tohoku Universität, Sendai, Japan (2000)
- Ehrendoktor der Universidad Autonoma de Madrid, Spanien
Auswirkungen auf die Forschung
Heinrich Rohrer gilt heute als einer der Väter der modernen Nanotechnologie. Das Rastertunnelmikroskop schuf die Grundlage für alle anderen Rastersondenmikroskope mit Ausnahme des Rasterelektronenmikroskops. Da nun nanoskopische Objekte vergleichsweise problemlos beobachtet und manipuliert werden konnten, war der Weg in Richtung Nanowissenschaften geebnet. Eines seiner ersten je gebauten Rastertunnelmikroskope befindet sich heute im Nicolas Cabrera Institut in Madrid, wohin Rohrer es selbst gebracht hatte.
Altershalber beendete Heinrich Rohrer 1997 seine Forschungstätigkeit bei IBM, nahm aber auch danach noch Berufungen an, unter anderem an CSIC (Madrid), RIKEN (Tokyo) oder die Tohoku Universität (Sendai, Japan). Es war ihm ein Anliegen, die kommende Generation von Forschenden mit den Nanowissenschaften bekannt zu machen und für eigene Forschungen zu inspirieren.
1993 bis 2003 war er Mitglied des ETH-Rats. Dieser ist für die strategische Führung des ETH-Bereichs verantwortlich und setzt ausgehend von Leistungszielen des Bundes Schwerpunkte in Lehre, Forschung und Wissenstransfer.
Heinrich Rohrer verstarb am 16. Mai 2013 in Wollerau.
Heinrich Rohrer Preis
Nach seinem Tod wurde ein internationaler nach ihm benannter Preis initiiert. Die Surface Science Society of Japan (SSSJ), IBM Research Zürich, die Schweizerische Botschaft in Japan und die Familie von Heinrich Rohrer riefen den Heinrich Rohrer Preis ins Leben. Die Heinrich Rohrer Grand Medal für herausragende Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Nanowissenschaften wird seit 2014 alle drei Jahre anlässlich des International Symposium on Surface Science (ISSS) vergeben.
Handschrift
Bestand
Das Hochschularchiv der ETH Zürich besitzt die Unterlagen zu Immatrikulation und Studium von Heinrich Rohrer an der ETH Zürich. Im Suchportal der ETH-Bibliothek, speziell über den Zugriff zur Zeitschrift "Physical Review", sind wesentliche wissenschaftliche Artikel von H. Rohrer direkt online zugänglich. Seine erste Forschungstätigkeit ist zudem historisch dokumentiert im Historischen Schulratsarchiv der ETH, dessen Protokolle online abfragbar sind: Schulratsprotokolle Online. Ein Dossier aus der Biographica Sammlung des Hochschularchivs enthält weitere Auskünfte zu Rohrers Leben und Werk.
Alle Nobelpreisträger der ETH Zürich auf einen Blick.