Ernst Laur (1871–1964)

Agrarpolitiker und Agronomieprofessor

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Ernst Laur (geboren am 27. März 1871) wuchs mit fünf Geschwistern in der streng religiösen Familie des Spitalverwalters von Basel auf. Nach vier unerfreulichen Jahren im Untergymnasium und einem Welschlandjahr wurde er, auf Empfehlung eines einflussreichen Freundes seines Vaters, 1886 in die Landwirtschaftliche Schule Strickhof in Zürich aufgenommen, die er 1888 mit dem Diplom verliess. Danach folgten landwirtschaftliche Praktika in Frankreich und auf dem Gutsbetrieb der Irrenanstalt Rheinau.

Studium und Lehrertätigkeit

Von 1890 an studierte er Agronomie am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, der späteren ETH Zürich, und erwarb 1893 als einer von nur zwei Schweizern seines Jahrgangs das Diplom. Für kurze Zeit nach Hause zurückgekehrt besuchte er Vorlesungen an der Universität Basel, hielt Vorträge als Wanderlehrer im Kanton Zürich und wurde im Herbst 1893 Verwalter des ausgedehnten Klosterguts Paradies bei Schaffhausen. Ab Herbst 1894 unterrichtete er an der Landwirtschaftsschule in Brugg. 1895 heiratete er und wurde in den folgenden Jahren Vater von vier Kindern.

Überregionale Bekanntheit

1896 doktorierte er in Leipzig. In Fachkreisen, durch rege Publikations- und Vortragstätigkeit bereits überregional bekannt, wurde Laur 1898 zum Leiter des neu geschaffenen Schweizerischen Bauernsekretariats und gleichzeitig zum Geschäftsführer, später Direktor, des ein Jahr zuvor gegründeten Schweizerischen Bauernverbandes gewählt. Ab 1901 lehrte er am Eidgenössischen Polytechnikum als Privatdozent für Agrarpolitik, ab 1908 als ordentlicher Professor für Landwirtschaft mit Schwergewicht auf Betriebslehre.

Rücktritt

1939 zwang ihn ein Verkehrsunfall zum Rücktritt vom Direktorium des SBV und von seiner Professur. 1904 bis 1945 gestaltete er als Delegierter des Bundesrates für Handelsverträge zusammen mit Vertretern der Industrie die schweizerische Zollpolitik mit. 1948 bis 1950 präsidierte er die neue Europäische Agrarunion (Confédération Européenne de l'Agriculture).

Ernst Laur starb am 30. Mai 1964.

Handschrift

Ernst Laur gratuliert Carl Schröter, ETH-Professor für Botanik, zum Ehrendoktortitel der Universität München ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 399:750
Ernst Laur gratuliert Carl Schröter, ETH-Professor für Botanik, zum Ehrendoktortitel der Universität München ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 399:750

Werke

Die Dreifachfunktion als Verbandsdirektor, Bauernsekretär und Professor machten Laur zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im öffentlichen Leben der Schweiz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das vom Bund subventionierte Sekretariat baute er zu einer wissenschaftlichen Dienststelle aus, deren statistische Erhebungen die Interessenvertretung des Bauernverbandes stützten, Material für die offizielle Agrarpolitik der Eidgenossenschaft sowie Grundlagen für Laurs Betriebswirtschaftslehre lieferten. An der ETH bildete er die künftige agronomische Elite aus, die danach im Bauernsekretariat tätig war oder im Nationalrat als Landwirtschaftslobby wirkte. Die Professur festigte sein Ansehen in der nationalen und internationalen Fachwelt sowie bei den Behörden.

Während Laur in der Öffentlichkeit wortgewaltig eine sozialromantische Bauerntumsideologie verbreitete, war er überzeugt, dass die Landwirtschaft nur mit einem kontrollierten Strukturwandel ihren Platz in der Industriegesellschaft erhalten könne. Die bäuerlichen Betriebe sollten nach betriebsökonomischen Kriterien modernisiert werden. 1907 veröffentlichte er dazu sein Hauptwerk «Landwirtschaftliche Betriebslehre», das in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Neuauflagen sowie Übersetzungen in andere Sprachen erfuhr und internationale Beachtung fand. Zusätzlich zur Modernisierung der Landwirtschaftsbetriebe sollte der Staat den Agrarsektor durch protektionistische Massnahmen gegen ausländische Konkurrenz schützen. Die Forderung der «Erhaltung eines gesunden Bauernstandes» wurde schliesslich 1951 im Landwirtschaftsgesetz festgeschrieben und alsbald mit Preisgarantien, Einfuhrbeschränkungen, Einfuhrverboten, Uebernahmeverpflichtungen, Zollerhebungen, Exportsubventionen, Konsumverbilligungen, Anbauprämien usw. verwirklicht; ein agrarpolitisches Vermächtnis Laurs, das bis heute nachwirkt.

Bestand

Der Nachlassteil Ernst Laurs, der im Hochschularchiv der ETH Zürich aufbewahrt wird, enthält die umfangreichen, handschriftlichen Notizen der Vorlesungen zur landwirtschaftlichen Betriebslehre, Thesen zu nationalen und wirtschaftlichen Grundlagen der Schweiz, Überlegungen zu ergänzendem Unterricht in Kolonialwissenschaften und dem Ausbau des Lehrplans an der landwirtschaftlichen Abteilung der ETH Zürich. In verschiedenen, anderen Nachlässen finden sich Briefe Laurs an seine Professorenkollegen. Das Schulratsarchiv, die Geschäftsunterlagen der ETH-Leitung, bergen Hinweise zum Umfeld von Laurs Lehr- und Forschungstätigkeit.


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