Aurel Stodola (1859–1942)
Professor für Maschinenbau am Eidgenössischen Polytechnikum
Aurel Boleslav Stodola wurde am 10. Mai 1859 in St. Nikolaus in der Liptau (Slowakei) geboren. Nach seinem Abitur am Gymnasium von Kaschau nahm er 1877 ein Maschinenbau-Studium an der polytechnischen Schule in Budapest auf. Dieses setzte er 1878 am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich fort, wo er 1881 das Diplom als Maschineningenieur mit Auszeichnung erhielt.
Berlin
Nach praktischen Tätigkeiten in den Werkstätten der ungarischen Staatsbahnen ergänzte er sein Studium in Berlin, wo er unter anderem Vorlesungen des Physikers Hermann von Helmholtz und des Physiologen Emil Du Bois-Reymond besuchte. 1883 half Stodola beim Wiederaufbau der durch einen Brand zerstörten väterlichen Lederfabrik in St. Nikolaus mit.
Paris und Prag
1884 schrieb sich der 25-jährige an der Pariser Sorbonne ein, um seine Französischkenntnisse zu vertiefen. Parallel dazu arbeitete er als Volontär in der Maschinenfabrik Hermann-La Chapelle. In Prag erhielt er noch im gleichen Jahr eine Anstellung als Konstrukteur in der Böhmisch-Mährischen Maschinenfabrik, wechselte aber wenig später zur Maschinenfabrik AG (vormals Ruston & Co).
Bau des Maschinenlabors am Eidgenössischen Polytechnikum
Im März 1892 folgte Aurel Stodola der Berufung als Professor für Maschinenbau und Maschinenkonstruktion ans Eidgenössische Polytechnikum in Zürich. Unter seiner massgeblichen Mitarbeit erbaute man hier von 1897 bis 1900 das modernste Maschinenlaboratorium Europas. Es gelang ihm, die Notwendigkeit eines Maschinenlaboratoriums für die technikwissenschaftliche Forschung zu etablieren und interdisziplinäre Kontakte zwischen Hochschule und Industrie herzustellen. So wurde das Maschinenlabor am Zürcher Polytechnikum nicht allein als Einrichtung für die Lehre konzipiert, sondern seine Bedeutung für die Entwicklung der technischen Wissenschaften und für die Lösung von praktischen Problemen von Anfang an erkannt und gezielt verfolgt.
Tätigkeiten als Lehrer
Einen hervorragenden Ruf erwarb sich Aurel Stodola als Lehrkraft. Er verstand es, unzähligen Studenten das Rüstzeug für eine erfolgreiche Ingenieurlaufbahn zu vermitteln. Zudem konnte er naturwissenschaftliche Zusammenhänge verständlich machen, indem er ihren Bezug zum jeweiligen Stand der technischen Entwicklung darstellte. Die Heranführung seiner Schüler an die Maschinen nutzte er zur Lösung konstruktiver und maschinentechnischer Fragestellungen. Als anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Wärmekraftmaschinen war Stodola auch als kritischer und unbestechlicher Gutachter für führende Unternehmen der schweizerischen Maschinenindustrie tätig. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1929 arbeitete er weiter wissenschaftlich. Er verfolgte die Entwicklung der ersten stationären Gasturbine und leitete noch im Alter von 80 Jahren deren Abnahmeversuche bei BBC (Brown, Boveri & Cie).
Humanitäre Arbeit
Stodola war ein äusserst humanitär und sozial denkender Mensch und vermachte der ETH Zürich eine Stiftung, die nach dem Tod seiner Töchter zur Förderung wissenschaftlicher Bestrebungen auf dem Gebiete der Maschinentechnik eingesetzt wurde. Ab Mitte der 1930er Jahre organisierte er erfolgreich Geldspenden für das von Albert Schweitzer errichtete Urwaldspital in Lambarene, Äquatorial-Afrika.
Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Eidgenössischen Polytechnikums im Jahr 1905 schenkte die Stadt Zürich Stodola und seiner Familie das Bürgerrecht. In Anerkennung seiner Verdienste sind ihm zudem zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen zuteil geworden, darunter drei Ehrendoktorate, die James-Watt-Medaille und die Grashof-Denkmünze des Vereins Deutscher Ingenieure. Er war Mitglied verschiedener Akademien und Gesellschaften. Mehr als ein halbes Dutzend ehrenvolle Berufungen von Hochschulen aus Europa und Übersee erreichten ihn, denen er aber nicht Folge gab. Aurel Stodola verstarb am 25. Dezember 1942 in Zürich.
Werke
Aurel Stodola legte die wissenschaftliche Grundlage für die Weiterentwicklung der Dampfturbine und des Verbrennungsmotors und wurde zum weltweit anerkannten Fachmann für die Konstruktion und den Bau von thermischen Turbomaschinen. Sein Lehrbuch "Dampf- und Gasturbinen", das zahlreiche Auflagen und mehrere Übersetzungen erfuhr, diente Generationen von Ingenieuren als unentbehrliches Handbuch des thermischen Turbomaschinenbaus. Die 220 Seiten der ersten Auflage von 1903 wuchsen bis zur 6. Auflage von 1924 auf rund 1200 Seiten an. Mit seinem Werk "Gedanken zu einer Weltanschauung vom Standpunkte des Ingenieurs" (Springer-Verlag, 1931) lieferte Stodola einen wichtigen Beitrag zur Technikdiskussion. Er setzte sich mit der im Zuge des Ersten Weltkrieges und der anschliessenden Wirtschaftskrise verbreiteten Technikkritik auseinander, lehnte jedoch Kulturpessimismus, wie ihn der zeitgenössische Philosoph Oswald Spengler verkündet, entschieden ab. Besonders in der Ingenieurfachpresse fand das Werk ein grosses Echo und erfuhr in rascher Folge mehrere überarbeitete Auflagen.
Neben den bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der energieerzeugenden Maschinen widmete er sich auch immer wieder anderen Aufgaben. So konstruierte er, um die Schrecknisse des Krieges zu mildern, in Zusammenarbeit mit dem deutschen Chirurgen Ferdinand Sauerbruch eine künstliche Hand.
Zeichnung
Bestand
In der ETH-Bibliothek finden sich Stodolas eigene Schriften sowie Literatur über ihn und sein Werk (Suchportal der ETH-Bibliothek).
Im Hochschularchiv der ETH Zürich befindet sich ein Dienstnachlass Aurel Stodolas mit zahlreichen Manuskripten und Briefwechseln. Eine Übersicht über diesen Bestand bietet das online einsehbare Nachlassverzeichnis in der Research Collection.
Bilder von Aurel Stodola können im Bildarchiv Online der ETH-Bibliothek eingesehen werden. Zum 60. Geburtstag veranstaltete die ETH-Bibliothek eine Ausstellung, die als virtuelle Ausstellung konsultiert werden kann.